Gut gemeint oder tatsächlich gut?

Am 13. Mai hat die Berliner Tafel eine Pressemitteilung verschickt, in der sie über eine Anrechnung von Tafel-Lebensmitteln als Einkommen im Bezirksamt Lichtenberg berichtet hat. Seit einigen Tagen macht die Nachricht die Runde, der Sachbearbeiter hätte es eigentlich gut gemeint: Nur über diesen Rechenweg hätte der LAIB und SEELE-Kunde überhaupt erst Wohngeld erhalten können. Ist also alles nur ein Irrtum? Nein. Die Berliner Tafel widerspricht dieser Logik. Eine Stellungnahme:

Rückblick: Ein Mann stellt im Sommer 2018 beim Lichtenberger Bezirksamt einen Antrag auf Wohngeld und gibt an, Lebensmittel von einer LAIB und SEELE-Ausgabestelle zu erhalten. Das Amt berechnet ihm daraufhin unter dem Stichwort „Sachbezug Tafel“ die Lebensmittel als Einkommen; soll heißen: Der Wert der Lebensmittel wird amtlicherseits mit einer fiktiven Summe in Höhe von 241 Euro pro Monat beziehungsweise 2.892 Euro pro Jahr veranschlagt.

Die Berliner Tafel stellt daraufhin einen Kontakt zwischen dem Antragsteller und einer Sozialberatung her, er legt im August 2018 Widerspruch gegen den Bescheid ein. Ende März 2019 lehnt das Bezirksamt den Widerspruch ab, die Berliner Tafel erhält davon im April Kenntnis und lässt ihrerseits die Bescheide juristisch prüfen. Am 13. Mai macht der Verein den Fall öffentlich und bezeichnet die Lichtenberger Entscheidung als „willkürlich und rechtswidrig“.

Seit einem taz-Bericht am 16. Mai verschiebt sich die Diskussion in folgende Richtung: Der Antragsteller habe zu wenig verdient, um überhaupt Wohngeld beanspruchen zu können. Nur über den Umweg der Anrechnung der Lebensmittel als Einkommen wäre das möglich gewesen. Der zuständige Sachbearbeiter habe also nur helfen wollen.

Alles nur Aufregung um nichts?

Nein. Selbst wenn es ein gutmeinender Sachbearbeiter gewesen sein sollte, kann dieser Bescheid nicht unkommentiert stehen bleiben.

Auch in diesem Fall muss die Berliner Tafel jeglicher Verrechnung ihrer freiwilligen Unterstützung mit amtlichen Leistungen widersprechen. Wer will denn unterscheiden, wie weit eine „angemessene“ Verrechnung geht und ab wann sie „unangemessen“ wird? Ämter könnten ihren Bescheiden jederzeit Summen zugrunde legen, die sie aus ihrer staatlichen Verantwortung entließen. „Es kann keine andere Antwort der Berliner Tafel als ein grundsätzliches Nein zu amtlichen Verrechnungen geben“, sagt Sabine Werth, Gründerin und Vorsitzende der Berliner Tafel.

Hinzu kommt, dass die genannte Summe von 241 Euro im Monat auf einer Berechnung basiert, die jeder Realität entbehrt und nach Einschätzung unseres Juristen rechtswidrig ist. Die Berliner Tafel legt Wert darauf, dass die verteilten Lebensmittel eine Unterstützung für wenige Tage sind, niemals eine vollständige Versorgung bedürftiger Menschen.

Das Lichtenberger Bezirksamt hat eine Prüfung des Falls angekündigt. Sollte sich die Theorie des helfenden Sachbearbeiters bestätigen, wäre es an der Politik, über ihre Sozialgesetze nachzudenken: Wie kann es sein, dass Mitarbeiter der Ämter derartig schräg rechnen müssen, um bedürftigen Menschen zu helfen?

Zu welchem Ergebnis das Bezirksamt auch immer kommt, dieser Fall macht eins deutlich: „Die Entscheidung der Berliner Tafel, auf staatliche Fördergelder zu verzichten war, ist und bleibt richtig“, betont Sabine Werth: „Ein gemeinnütziger Verein darf niemals die Rechengrundlage staatlicher Leistungen werden.“

Weder so noch so.

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